MEHR SALON EMMER

unterricht, kunst zum mitmachen, studio und verein salon emmer:
eva-maria kraft, lisa lengheimer, tanja dinter
www.salonemmer.at



31.1.10

INDIENTAGEBUCH: chennai, 4.Eintrag, 30.01., Broad Lands Hotel, 23.19m (local time)

der muezzin predigt noch immer
wir haben das gefühl schon drei wochen hier zu sein:
die rechte hand riecht trotz seife würzig (für alle dies nicht wissen: man isst hier auch das flüssigste daal mit der hand)
waren wir jemals weg aus indien?
rikschadiskussion die 500ste. uns fällt wieder ein dass von uns immer der dreieinhalbfache preis verlangt wird. (wir sind schon gluecklich wenn wir nur das doppelte zahlen.)
was ist eine melange?
wir erzählen ständig anderen touris was wir schon alles in tamil nadu gesehen haben.
ist es zeit diese stadt zu verlassen?
unser lieblingshotel ist ohne guru paola (war letztes mal hier wohnhaft und hat damals hippie open air kino im hof veranstaltet) seltsam leer.
oder hätten wir einfach heute so wie gestern und vorgestern im nachbarhotel ein bier trinken gehen sollen?
wir sind ratlos.
sind wohl noch nicht ganz im schlapfenmodus angekommen.
schlafen und morgen weitersehen.

INDIENTAGEBUCH: chennai, 3.Eintrag, 30.01., Broad Lands Hotel, 22.31m (local time) GANDHI memorial day

im hintergrund gesänge und predigten des muezzin.
wir sitzen wieder unter dem pinken moskitonetz, das mittlerweile mit moskitospray bedeckt wurde, nachdem sich gestern nacht ein sauger 13mal in lisas linkes knie verbissen hat. diese biester sind nämlich so winzig, dass sie durch minilöcher im netz schlüpfen können und nachdem uns heute sangeetha vor den momentan sehr aggressiven gelenksfieber verursachenden mücken gewarnt hat, die auch tagsüber stechen, sind wir vorsichtig geworden und sprühen uns brav ein. (was heute abend zur folge hatte dass uns ein inder im restaurant nach unserem parfum gefragt und tanja ganz selbstverständlich mit 'mosiguard' geantwortet hat.)
nun ja
mehr zu sangeetha: sie ist die wundervolle choreografin zu der wir heute zu hause eingeladen waren. schönes großes haus (dienstmädchen, die tee bringen, zwei freundliche golden retriever, zwei studentinnen aus paris bei ihr im unterricht. wir plaudern mit ihr über indischen tanz, ihre arbeit in sozialen projekten auf der ganzen welt und ihren choreografischen integrativen ansatz: wir sind beeindruckt. sie telefoniert gleich andere kollegInnen an, deren arbeit wir uns auch ansehen könnten und informiert uns über eine communityveranstaltung anlässlich gandhijis todestag heute nachmittag.
wir verlassen sie beschwingt, mit duftenden jasminblüten im haar, die uns das dienstmädchen mit auf den weg gibt. (kurz überfällt uns der gedanke, wie es wohl wäre jeden tag so ein dienstmädchen um uns zu haben, tut leid genossinnen.)
zwei gassen weiter hält uns ein jung-dynamisches tamilisches fernsehteam auf und möchte mit uns ein kurzinterview zum thema liebe und valentinstag machen. gleich darauf, in einem repräsentativen schmuckladen, beantworten wir fragen wie: 'what is love for you?', 'where would you propose to your boyfriend?', 'which present would you give to your lover?','what would be the perfect lover for you?', usw. wir übertrumpfen uns mit originellen repliken und schockieren den reporter mit der ehrlichen antwort, wie lange wir schon mit unseren boyfriends zusammen sind. zweimal fragt er nach:'ONE guy?'. nicht mehr aufgezeichnet wird folgende frage:'and what do you do to escape from your boyfriends?'- wir scherzen:'going to india!'(sorryji hannes und andi).
am nachmittag am chennaier hauptbahnhof: zu ehren gandhis: 8 schülerinnen, die baumwolle zu garn spinnen (wir dürfens auch probieren und scheitern kläglich an den transportierbaren koffer-spinn'rädern'), 6 sängerinnen, die das 'ragu patti' (gandhis lieblingslied vom spinnrad) und noch vielmehr singen und 14 kleine indische mädchen, die klassischen indischen tanz vorführen. alle schülerinnen sind teilnehmerinnen an einem sozialen empowering-projekt.
drei stunden später.
unser telefonverkäufer ruft an und bittet uns noch einmal ins geschäft zu kommen und unsere adresse von zuhause aufzuschreiben. um nicht in versuchung zu kommen, ihn sein gesicht verlieren zu lassen (haben nämlich den wirklichen preis der sim-karte herausgefunden, steht auf der rückseite: 49 rupees) wollen wir die adresse per sms schicken, aber er besteht darauf, dass sie mit tanjas handschrift verfasst werden muss. auf die antwort:'but that's ridiculous, the telephone company doesn't know tanjas handwriting!' wird es plötzlich still in der leitung. kurz darauf bittet er uns trotzdem vorbeizukommen. wir verhalten uns pflichtbewusst, spazieren zum geschäft und geben eine erfundene adresse an. noch bevor wir in weitere diskussionen verwickelt werden können, verlassen wir das geschäft. für immer. hoffentlich.

29.1.10

INDIENTAGEBUCH: chennai, 2.Eintrag, 29.01., Broad Lands Hotel, 11.56am (local time)

sitzen unter dem pinken moskitonetz und reflektieren den gestrigen abend.
die telefonstory: wir wollen eine prepaid-karte fürs telefon.
geschäft nr.1: ein straßenverschlag, deokriert mit handies älterer bauart, hinter dem tresen stehen 4 männer, von denen einer bedient. nach längerem warten erfahren wir, dass eine sim karte um 50 rupees kostet und wir eine pass- und visakopie brauchen. wir kopieren unsere pässe und fragen aus interesse noch in einem zweiten geschäft. diesmal ein richtiger laden, mit türe und ventilator und drei männern hinter dem tresen, von denen zwei bedienen. wir erfahren, dass eine sim-karte 100 rupees kostet und dass wir eine pass- und visakopie, ein passfoto, eine hotelrechnung und eine telefonnummer von einem indischen bürgen brauchen. (das ist bürokratie in indien, einem land, in dem das wort sozialversicherung nicht existiert.) wir werden skeptisch und gehen in verschlag nr.3. dort kostet die sim 125 rupees und man merkt gleich, dass der besitzer und alleinige bediener erfahrung mit touristen hat, weil er kann uns die kopien und das foto machen und wir brauchen keinen bürgen und er würde uns vodafon empfehlen und nehmt doch platz...
wir gehen ins hotel und fragen an der rezeption (3 männer und zunächst fühlt sich keiner verantwortlich, eine minute später diskutieren alle mit). eine sim-karte kostet zwischen 50 und 500 rupees abhängig von den conditions und wie lange man sie braucht (eigentlich logisch). auch hier empfiehlt man uns vodafon. wir holen unsere fotos. lisa schneidet ihren kopf aus einem foto heraus, tanja hat vorsorglich 4 passfotos dabei. wir gehen zurück zu geschäft nr. 1, wo man uns airtel anbietet. na gut, dann halt in geschäft nr.2 einen euro mehr zahlen (50 rupees - in euro wirken diese ganzen preisunterschiede vollkommen lächerlich). wir lassen uns von dem freundlichen herren mit gutem englisch das tarifsystem erklären. es gibt nur eine sim-condition und der preis hängt davon ab, welche conditions sich der kleinhändler mit dem großhändler ausgemacht hat. er empfiehlt uns airtel. na gut. wir bleiben, da er versucht, die minuten-kosten nach austria ('a dot on the map') herauszubekommen. 10min später - er hats zwar nicht rausgefunden, wir beschliessen, trotzdem erst mal nur einen vertrag abzuschließen. lisas foto wird nicht anerkannt ('you cut this out of a bigger picture!') tanjas bild wird akzeptiert, der bürge geht während der verhandlungen unter. er sucht die airtel sim-karte, findet keine und - naja, vodafon sei ja auch nicht so schlecht. (is this real life?) wir machen ihm den vorschlag (wie in indien unserer meinung nach üblich), eine airtel-simkarte um 50 rupees von seinem nachbarn zu kaufen und sie uns dann um 100 zu verkaufen. Er sagt, das kann er nicht machen, möchte uns aber vor geschäftsabschluss noch nicht erklären, warum nicht. ok, also vodafon. wir schliessen den vertrag ab. während wir auf die freigabe warten, verwickelt uns der nette verkäufer zunächst vorsichtig, später fanatisch, in eine religionsdiskussion: er gibt uns zu verstehen, dass der vielgötterglaube der hindus vollkommen naiv und bescheuert ist, dass er an jesus als propheten glaubt aber nicht versteht, wie man auf die gotteslästerliche idee kommen kann ihn als sohn gottes zu bezeichnen - und was soll überhaupt dieser heilige geist sein? und letztendlich rückt er damit heraus, das er unsere westliche kleidung (aber auch saris) als vollkommen 'unappropriate' einstuft. er tut das alles mit einer freundlichen bestimmtheit und mit einem interesse, das uns bleiben lässt ('this telephone shop is a philosophy-store'). Irgendwann reicht es uns dann doch. wir gehen und glauben herausgefunden zu haben, warum er nicht zum nachbarn gehen wollte: der ist ein hindu.
die nacht darauf kräht uns um fünf uhr der muezzin wach.

INDIENTAGEBUCH: delhi, 1.Eintrag, 28.01. Delhi domestic airport, 03.50am (local time)

WARTEN hoch3
im hintergrund lounge-ige musik, unter anderem einen weihnachtslieder-sampler: stille nacht, jingle bells, white christmas... the smog - nebel des grauens, der nach und nach bis in die abflughalle sickert.

wir sitzen und trinken costa cafe, warten auf den abflug, wir reflektieren die bisherige reise:
landung in delhi: das flugzeug darf noch nicht auf seine parkposition, wir sind eine halbe stunde zu früh.
das flugzeug bleibt irgendwo zwischen landebahn und parkposition stehen. 45 minuten nirvana: wir sitzen im dunklen flugzeug und WARTEN hoch1, jeder fluchtversuch (z.b. zur toilette) wird unterbunden.
WARTEN hoch2: wir suchen das ende der pass-schlange und umkreisen dabei die wartende menschenmenge und den halben flughafen,
einige zeit später: wir sind beinahe die letzten, winkt uns ein inder mit unserem gepäck, das er gerade wieder zurück nach wien schicken wollte.......
SUCHEN hoch1: the ATM-QUEST, der einzige cashwithdrawal in der ankunftshalle ist defekt (wir sprechen hier vom internationalen flughafen der hauptstadt indiens, ca. 14 millionen einwohner), der kingfisher-airlines schalter nimmt keine creditkarte und wir haben nicht genug bargeld zum wechseln mit (schafstours in aktion), sprich wir müssen ein prepaid-taxi zum domestic-airport nehmen, weil dort gibts angeblich beides: bankomat und schalter mit creditkarte.
wer prepaid nicht kennt: man geht zu einem schwindligen schalter bzw. holzverschlag, zahlt das taxi im voraus in der hoffnung nicht beschissen zu werden und dort anzukommen wo man hin will. mit prepaid-voucher ausgestattet suchen wir die beschriebenen yellow-black cabs um gleich von drei taxifahrern umzingelt zu werden: 'when is your flight?'
erfahrene indienreisende lesen hinter dieser frage folgenden subtext:
'wenn der flug erst in einigen stunden ist, könnten wir euch
A noch eine schnell-tour durch delhi
B einen besuch im geschäft meines cousins
C ein günstiges hotel
aufschwatzen.'
wir versuchen bestimmt und höflich zu sein und bleiben beim domestic airport um gleich darauf typischerweise zu hören:
'it´s not open yet'.
DAS IST INDIEN! (kurzer flash)
wir sind noch bestimmter und schon ein bisschen unfreundlicher, steigen ins taxi und haben das bekannte mulmige gefühl: 'wo bringt der uns jetzt hin?'
die fragen des taxifahrers, wo wir den hinfliegen, usw. ignorieren wir höflich und gekonnt.
große erleichterung als wir nach ein paar minuten erkennen, er bringt uns wirklich zum airport.

wir fliegen mit spice-jet nachdem kingfisher keine creditkarte nehmen will.

21.1.10

INDIENTAGEBUCH 2010

there is more to life than increasing it´s speed - mahatma gandhi