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29.1.10

INDIENTAGEBUCH: chennai, 2.Eintrag, 29.01., Broad Lands Hotel, 11.56am (local time)

sitzen unter dem pinken moskitonetz und reflektieren den gestrigen abend.
die telefonstory: wir wollen eine prepaid-karte fürs telefon.
geschäft nr.1: ein straßenverschlag, deokriert mit handies älterer bauart, hinter dem tresen stehen 4 männer, von denen einer bedient. nach längerem warten erfahren wir, dass eine sim karte um 50 rupees kostet und wir eine pass- und visakopie brauchen. wir kopieren unsere pässe und fragen aus interesse noch in einem zweiten geschäft. diesmal ein richtiger laden, mit türe und ventilator und drei männern hinter dem tresen, von denen zwei bedienen. wir erfahren, dass eine sim-karte 100 rupees kostet und dass wir eine pass- und visakopie, ein passfoto, eine hotelrechnung und eine telefonnummer von einem indischen bürgen brauchen. (das ist bürokratie in indien, einem land, in dem das wort sozialversicherung nicht existiert.) wir werden skeptisch und gehen in verschlag nr.3. dort kostet die sim 125 rupees und man merkt gleich, dass der besitzer und alleinige bediener erfahrung mit touristen hat, weil er kann uns die kopien und das foto machen und wir brauchen keinen bürgen und er würde uns vodafon empfehlen und nehmt doch platz...
wir gehen ins hotel und fragen an der rezeption (3 männer und zunächst fühlt sich keiner verantwortlich, eine minute später diskutieren alle mit). eine sim-karte kostet zwischen 50 und 500 rupees abhängig von den conditions und wie lange man sie braucht (eigentlich logisch). auch hier empfiehlt man uns vodafon. wir holen unsere fotos. lisa schneidet ihren kopf aus einem foto heraus, tanja hat vorsorglich 4 passfotos dabei. wir gehen zurück zu geschäft nr. 1, wo man uns airtel anbietet. na gut, dann halt in geschäft nr.2 einen euro mehr zahlen (50 rupees - in euro wirken diese ganzen preisunterschiede vollkommen lächerlich). wir lassen uns von dem freundlichen herren mit gutem englisch das tarifsystem erklären. es gibt nur eine sim-condition und der preis hängt davon ab, welche conditions sich der kleinhändler mit dem großhändler ausgemacht hat. er empfiehlt uns airtel. na gut. wir bleiben, da er versucht, die minuten-kosten nach austria ('a dot on the map') herauszubekommen. 10min später - er hats zwar nicht rausgefunden, wir beschliessen, trotzdem erst mal nur einen vertrag abzuschließen. lisas foto wird nicht anerkannt ('you cut this out of a bigger picture!') tanjas bild wird akzeptiert, der bürge geht während der verhandlungen unter. er sucht die airtel sim-karte, findet keine und - naja, vodafon sei ja auch nicht so schlecht. (is this real life?) wir machen ihm den vorschlag (wie in indien unserer meinung nach üblich), eine airtel-simkarte um 50 rupees von seinem nachbarn zu kaufen und sie uns dann um 100 zu verkaufen. Er sagt, das kann er nicht machen, möchte uns aber vor geschäftsabschluss noch nicht erklären, warum nicht. ok, also vodafon. wir schliessen den vertrag ab. während wir auf die freigabe warten, verwickelt uns der nette verkäufer zunächst vorsichtig, später fanatisch, in eine religionsdiskussion: er gibt uns zu verstehen, dass der vielgötterglaube der hindus vollkommen naiv und bescheuert ist, dass er an jesus als propheten glaubt aber nicht versteht, wie man auf die gotteslästerliche idee kommen kann ihn als sohn gottes zu bezeichnen - und was soll überhaupt dieser heilige geist sein? und letztendlich rückt er damit heraus, das er unsere westliche kleidung (aber auch saris) als vollkommen 'unappropriate' einstuft. er tut das alles mit einer freundlichen bestimmtheit und mit einem interesse, das uns bleiben lässt ('this telephone shop is a philosophy-store'). Irgendwann reicht es uns dann doch. wir gehen und glauben herausgefunden zu haben, warum er nicht zum nachbarn gehen wollte: der ist ein hindu.
die nacht darauf kräht uns um fünf uhr der muezzin wach.

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